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Editorial: Zeitenwende

Gesundheitssysteme sind weltweit im Umbruch, so auch das österreichische. Die Veränderungen der Bevölkerungsstruktur, die geänderten Lebensvorstellungen, die Fortschritte von Wissenschaft und Technologie, die Abnahme der Wertschöpfung, die Wanderungsbewegung vom Land in die Städte sind einige, aber nicht alle Gründe für die Veränderungen.
Gesundheit ist nach wie vor ein internationaler Megatrend. Dies sowohl privat als  auch ökonomisch und politisch. Das sollte uns Ärztinnen und Ärzte als Teile des Gesundheitssystems trotz vieler mit Sorge wahrgenommener Veränderungen optimistisch stimmen.
Privat ist Gesundheit immer mehr Menschen wichtigstes Lebensziel. So auch Ärztinnen und Ärzten. Sie erwarten deshalb Rahmenbedingungen für ihre Arbeit, die die Erreichung dieses Ziels ermöglichen. Ökonomisch stürzen sich zahlreiche Professionen auf den Hoffnungsmarkt Gesundheit und wollen einen Teil der ärztlichen Rollen übernehmen. Gleichzeitig treten Aktiengesellschaften zunehmend als Akteure auf und wollen den Markt auch im bisher Ärzten vorbehaltenen Bereich bestimmen. Spannungen sind vorprogrammiert, da Gesundheitssysteme anderen Regeln folgen als Produktions- oder Handelsbetriebe.
Nach wie vor soll die Versorgung der Patienten sozial und solidarisch bleiben. Dazu benötigt man motivierte, empathische Ärztinnen und Ärzte. Manche glauben, dass sie einfach vermehrt ausgebildet werden sollen, um jene zu ersetzen, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht mehr arbeiten wollen.
Die Stärkung des „Hausarztprinzips“ soll durch neue Strukturen gewährleistet werden. Längere Öffnungszeiten, Multiprofessionalität sind die Schlagworte. Das Konzept „Team rund um den Hausarzt“ wird im Rahmen des Megatrends „Gesundheit“ sicher weiter an Aktualität gewinnen. Regional bedingt werden neue Organisationsformen sowohl als „Netzwerk“ als auch „unter einem Dach“ mit Leben gefüllt werden. Den nächsten Monaten ist es vorbehalten das gesetzliche Regelwerk dafür so zu definieren, dass viele Ärztinnen und Ärzte diese Herausforderung annehmen.
Rahmenbedingungen müssen immer wieder angepasst werden. Viele konstruktive Maßnahmen wurden deshalb bereits von verständnisvollen Politikern und Sozialversicherungsvertretern gemeinsam mit Ärztekammervertretern erarbeitet und in einzelnen Bundesländern erfolgreich umgesetzt. Der Erfolg der Anpassung von Rahmenbedingungen kann in manchen Bundesländern bereits an einer vermehrten Niederlassungsbereitschaft abgelesen werden. Unternehmerische Verantwortung und Risikoübernahme wird gelebt, bedarf aber auch der Unterstützung bzw. auch des Schutzes, insbesondere, wenn es um das Investitionsrisiko von jungen Ärztinnen und Ärzten geht. Entlastungen für die niedergelassene Allgemeinmedizin im Bereich Bereitschafts- bzw. Notdienst, Krankheit, Urlaub, erweiterte Vertretungsregeln wurden erarbeitet. Erleichterungen bei der Gründung von Gemeinschaftspraxen, Gruppenpraxen, Praxisübergabe, Jobsharing etc. sind fester Bestandteil von Anpassungsmaßnahmen.
Überversorgung in Ballungsgebieten, mit vorrangig spezialistischer Versorgung, steht ärztlichem Mangel am Land gegenüber. Schwer besetzbare Hausarztstellen, eine zu geringe Zahl von Ärztinnen und Ärzten, die dort ihren Lebensmittelpunkt wählen, haben in manchen Regionen ein bedrohliches Maß erreicht. Rasche Gegenmaßnahmen, die bereits im Studium beginnen, sind hier notwendig.
Es gibt viele Baustellen für die ärztliche Berufsvertretung, die Sozialversicherungen, für Bund und Länder, wo nachhaltig die Qualität unseres Gesundheitssystems gesichert werden muss. Subsidiarität und Freiberuflichkeit mit unternehmerischer Verantwortung sollten dabei weiterhin Voraussetzung bleiben und nicht dem Kapitalmarkt geopfert werden.
Wir sind mitten in der Zeitenwende drinnen, und wir wollen die Veränderungen als Chance sehen, wenn wir auch zeitwillig daran zweifeln. Trotz vielfacher Veränderungen möchten wir uns mit Optimismus unserem Beruf zuwenden, der, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, einer der schönsten ist.