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Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin – warum es ihn benötigt

Die Allgemein- und Familienmedizin unterscheidet sich in Methode und Denkansatz von den anderen, spezialisierten Fachdisziplinen grundsätzlich. Und weil sie ein eigenständiges Fach ist, sind die Ärzte, die dieses Fach ausüben, auch Fachärzte. Sie ist patienten – und nicht organzentriert und hat einen generalistischen Ansatz. Wir sind Fachärzte für generalistische Medizin. Das entspricht den Herausforderungen der Gegenwart und erst recht den Herausforderungen der Zukunft (s. DEGAM-Zukunftspositionen). 

Unsere Fähigkeiten, Kenntnisse und unsere Arbeitskraft sind der wichtigste Pfeiler der Primär- und Grundversorgung. Es sieht nicht nach gesellschaftlicher Wertschätzung aus, wenn ausgerechnet das für die Grund- und Primärversorgung wichtigste Fach die kür-zeste Ausbildung hat. Für die Generierung von Nachwuchs ist das psychologisch denkbar schlecht. Wir brauchen von ALLEN Spezialfächern die grundlegenden Kenntnisse. In der geltenden Ausbildungsordnung muss sich ein angehender Allgemeinmediziner entscheiden, welche vier Fächer er von den Sonderfächern Haut- und Geschlechtskrankheiten, HNO, Augenheilkunde und Optometrie, Urologie, Anästhesie und Intensivmedizin, auslassen muss. Diese Einschränkung macht keinen Sinn für einen Generalisten! Auch sollte ein Forschungsmodul enthalten sein, in dem sich der angehende Arzt mit evidenzbasierter Medizin gründlich auseinandersetzen darf. Wir brauchen dringend Nachwuchs für unsere Universitätsinstitute. Ebenso sollte er auch mehr Zeit für seine Ausbildung in der niedergelassen allgemeinmedizinischen Praxis haben.

Die Spitäler sind gut beraten, sich um die angehenden Allgemeinmediziner intensiv zu kümmern, denn sie sind ja später ihre Zuweiser, von denen sie in Zukunft leben werden, die ihnen die Ambulanzen von unerwünschten Fällen freihalten und die ihre Patienten nach der Entlassung gut versorgen sollen. Die Dauer der gesamten Ausbildung ist entsprechend den stark gestiegenen Ansprüchen an die allgemeinmedizinische Versorgung anzupassen.

Das große Thema der Gesundheitsreform ist die Korrektur unseres überteuerten, extrem spitalslastigen Gesundheitssystems durch eine Stärkung der ambulanten ex-tramuralen Versorgung. Um dies zu erreichen braucht es Kompetenzsteigerungen in unserem Bereich, keine Schmalspurärzteausbildung oder Barfußmediziner, sondern hochausgebildete Generalisten, denen es gestattet sein sollte, mit jeder gegenwärtigen und vor allem auch den kommenden Technologien arbeiten zu dürfen.

In den meisten Fällen arbeiten  Allgemeinmediziner als Hausärzte, sind aber auch in zunehmender Zahl als Generalisten in Spitalsabteilungen zu finden.

Es gibt noch zahlreiche weitere Arbeitsfelder: Forschung und Lehre an Universitätsinstituten, Arbeitsmedizin, Schulärzte, Pharmaindustrie, Sozialversicherungsanstalten, Gesundheitsbehörden und so weiter. Wo auch immer sie tätig sind – sie sollten einen guten Überblick über „alles“ haben; also sowohl den spezifischen generalistischen Ansatz als auch ausreichend Detailkenntnis in den spezialisierten Fächern.

In Patientenbefragungen schneidet die niedergelassene Allgemeinmedizin immer besonders gut ab. Zuletzt zum Beispiel: http://www.aekvbg.or.at/aek/servlet/AttachmentServlet?action=show&id=5800

Wichtig ist die persönliche Betreuung durch den Arzt, zu dem man in Jahren Vertrauen aufgebaut hat. Diese Wertschätzung erhöht die Freude an unserer Arbeit und auch unsere Effizienz erheblich. Basis ist eine gründliche Ausbildung. Warum sollten wir das nicht weiter  kultivieren?

Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion!

Dr. Thomas Jungblut