ELGA ist da. Nun wird es darum gehen, das, was die elektronische Gesundheitsakte an Möglichkeiten bietet, sinn- und nutzbringend einzusetzen.
Dankenswerterweise haben sich einige Kollegen über viele Jahre mit dieser neuen Technologie auseinandergesetzt. Sie haben mit viel Engagement und Kompetenz an Datensicherheit und, für uns besonders wichtig, an der „Usability“, also der Anwendbarkeit im praktischen Alltag, gearbeitet. Da wurde vieles erreicht, und dieser Einsatz ist kaum zu überschätzen.
Eine Arbeitsgruppe der ÖGAM befasst sich nun seit geraumer Weile mit der Verwendung dieses neuen Instruments in der Hausarztpraxis.
Einerseits geht es dabei um die notwendigen Funktionalitäten, um den Informationszuwachs durch ELGA zu einem Gewinn zu machen, statt zur Überflutung werden zu lassen. Andererseits geht es uns um die Möglichkeiten, die dieses Instrument bietet, die Koordinationsfunktion der hausärztlichen Berufsgruppe wirksamer werden zu lassen.
Jemand wird die Sichtung und Wartung der über ELGA zugänglichen Daten übernehmen müssen. Sonst bleiben beispielsweise überholte Verdachts- oder Arbeitsdiagnosen oder geheilte Erkrankungen „hängen“, genauso wie abgesetzte Medikamente, nicht
verifizierte Allergien oder Unverträglichkeiten. Fehlinformation ist bekanntlich gefährlicher als fehlende Information und noch schwerer erkennbar.
Wir Hausärzte sind gewohnt mit Information aus verschiedensten Fachgebieten umzugehen und diese zu verwalten: Das ist generalistische Kernkompetenz. Spezialisten wären damit fehlbelastet, denn Koordination und Betreuung des Patienten in der Gesamtheit seiner biopsychosozialen Problemstellungen ist nicht ihr Arbeitsauftrag.
Angesichts unserer Arbeitsdichte und der hohen Zahl unterschiedlicher Funktionen und Aufgaben, die unser Tagesgeschäft sind, muss ELGA zur Unterstützung bei Prozessen und Abläufen gut nutzbar sein. Dazu braucht die Ordinationssoftware einiges an neuer Funktionalität: Wir müssen, statt einem besseren Notizblock mit Stecker, eine tatsächlich intelligente Technologie zur Verfügung haben, die diejenigen Abläufe übernimmt, an die unsere ärztlichen Hirne derzeit vergeudet werden müssen. Beispiele wären etwa: Verknüpfung von Diagnosen und Medikamenten, Medikamentenhistorie als leicht überblickbarer Verlauf, Paralleldarstellung von Befunden/Medikationen/Diagnosen und einer Kartei z.B. nach KH-Entlassung zum Vergleichen und Adaptieren etc.
Was absehbar war, zeichnet sich nun tatsächlich ab: Die Softwarefirmen werden sich jede einzelne dieser Funktionalitäten so sündteuer bezahlen lassen, wie wir es leider bisher schon kennen. Etliche davon werden mit hoher Wahrscheinlichkeit unausweichlich sein, weil „alte“ Funktionen mit ELGA nicht mehr nutzbar sein werden. Angesichts der hohen Marktkonzentration sind wir den wenigen Anbietern weitgehend ausgeliefert.
Es kann nicht sein, dass wir Hausärzte Unsummen zahlen müssen, nur um unsere Kernaufgaben gut und mit verantwortbarem Kraftaufwand erfüllen zu können. Es wird auch nicht sein: Wir können uns das nicht leisten.
Nun steht die Entscheidung an, wieweit wir in dieser systemwichtigen Kernkompetenz unterstützt werden.
ELGA kann ein wohlgeordnetes, „Primary care“-basiertes, rationales System unterstützen. Die Modalitäten müssen mit vereinten Kräften gefunden werden, sonst ist eine Großchance vertan.
Dr. Susanne Rabady,
Ärztin für Allgemeinmedizin, Windigsteig